"Zapfhahn 88" Familienkneipe mit Nazianhang - Pt 2 "NPD Lichtenberg"

21. Februar 2017 | News Redaktion

In der Nacht zum 16. Februar 2017 verübten Unbekannte einen Buttersäureanschlag auf die Nazikneipe "Zapfhahn 88" (Konrad-Wolf-Straße 88 in Berlin-Hohenschönhausen). Der Grund dafür dürfte gewesen sein, dass die Kneipe der Ort des monatlichen Stammtisches der Lichtenberger NPD ist. Wir werfen aus diesem Grund einen näheren Blick auf diesen NPD-Verband.

Die Lichtenberger NPD war bis ins Jahr 2005 hinein als inaktiv anzusehen. Erst im Vorfeld der Berlinwahl 2006 wurde nach neuen FunktionärInnen gesucht  und in dem Ehepaar Manuela und Dietmar Tönhardt gefunden. Manuela Tönhardt übernahm den Vorsitz des Kreisverbands und wurde 2006 eine der drei  Verordneten in der Lichtenberger Bezirksverordnetenversammlung. Die anderen beiden Plätze besetzten Jörg Hähnel und Torsten Meyer (damals DVU, heute "Bürgerbewegung Pro Deutschland"). Nach der Fusion von NPD und DVU trat Meyer aus der NPD-Fraktion aus, woraufhin die NPD ihr Büro im Rathaus und Dietmar Tönhardt seinen Job als Fraktionsgeschäftsführer verlor. Nach der Wahl 2011, die mit Stimmverlusten für die NPD verbunden war, saßen nur noch zwei NPD-Verordnete in der BVV - Manuela Tönhardt und Cornelia Berger. Aktivitäten in der Versammlung legten die beiden, wenn sie überhaupt anwesend waren, selten an den Tag. Mit der Wahl 2016 verlor die NPD auch ihre letzten beiden Verordneten. Inzwischen hat Dietmar Tönhardt den Vorsitz des Kreisverbands übernommen.

Die Lichtenberger NPD ist ein klassischer Berliner NPD-Verband. Alte Herren und Damen treffen sich einmal im Monat zum Stammtisch (immer am 2. Dienstag im Monat um 19:00 Uhr im "Zapfhahn 88"), machen ab und zu einen Infostand und werden sonst nur zu Wahlzeiten aktiv. Die Geschäfte des Verbands wurden in den letzten Jahren neben den Tönhardts vor allem von Danny Matschke, Henyk Wurzel, Jan-Michael Keller und André Groth bestritten. Nur selten, und meist nur für kurze Zeit fanden jüngere Neonazis den Weg in den Verband. So wurden zwischenzeitlich teilweise "NW-Berliner" wie David Gudra, Sebastian Zehlecke und Sebastian Dahl für Wahlkampfzwecke eingebunden. Die meisten Kundgebungen und Demonstrationen im Bezirk wurden in den letzten Jahren zentral von der Berliner NPD geplant und durchgeführt. Von den lokalen Neonazis wurde meist nur Anwesenheit gewünscht. Kam es zu eigenem Engagement, wie zum Beispiel der Organisation des Lautsprecherwagens für den Aufmarsch im Februar 2016 in Hohenschönhausen, so endete das im Desaster. Das Auto blieb mit Motorschaden auf halber Strecke liegen und der Aufmarsch musste somit frühzeitig beendet werden. War in den letzten Jahren immer ein Lichtenberger im Berliner NPD-Vorstand vertreten, sitzt seit der Wahl im Herbst 2016 kein Lichtenberger mehr in diesem Gremium.

Mit der rassistischen Kampagne in Hohenschönhausen Nord - 2014-2015 - und dem Lichtenberger Neonazi Jens Irgang (Schatzmeister der NPD Neukölln) kam jedoch in den letzten zwei Jahren etwas Bewegung in den Verband. Als bekannt wurde, dass Containerdörfer für Geflüchtete in Berliner Randbezirken gebaut werden sollen, organisierten Neonazis unverzüglich in Marzahn, Buch und Köpenick Demonstrationen. In Hohenschönhausen passierte erstmal nichts. Erst zwei Monate später als in den anderen Bezirken gab es erste Demonstrationen, organisiert nicht durch den Lichtenberger Verband, sondern fast in Eigenregie von Jens Irgang. Er schaffte es so, mehrere jüngere Hohenschönhausener und Lichtenberger Neonazis, wie z.B. Kevin Wiegand, Daniel Albrecht, Enrico Gase und Robert Lüdtke an die NPD zu binden. Sie übernahmen Aufgaben auf den Demonstrationen und wurden nach und nach in den Lichtenberger NPD-Verband integriert. Hier wurden sie mit Aufgaben betreut und konnten gleichzeitig ihre Neonaziideologie ungehindert ausleben. Enrico Gase z.B. kassierte erst im letzten Jahr eine Verurteilung wegen rassistischer Hetze auf Facebook. Auf Aufmärschen tritt er weiterhin ungebremst aggressiv auf. Weitere Neonazis fotografierten sich gegenseitig beim Zeigen des Hitlergrußes während des NPD-Stammtisches im "Zapfhahn 88" oder posierten vermummt mit Pyrotechnik.

Inzwischen zeigen sich jedoch - nicht erst seit dem desaströsen Wahlergebnis - wieder Absetzbewegungen der jüngeren Neonazis. Die rassistische Mobilisierung in Hohenschönhausen hat an schnell Dynamik verloren. Zuletzt nahmen an den Kundgebungen nur noch etwa zwei dutzend Neonazis teil. Die Flüchtlingsheime wurden und werden gebaut, ohne dass Neonazis daran irgendetwas ändern können. Auch sonst hat die Lichtenberger NPD jüngeren Neonazis wenig zu bieten. Sie nehmen nur noch selten an den Aktivitäten des Verbands teil und agieren teilweise stattdessen unter dem Label "Autonome Nationalisten Berlin". In ihre Verantwortung fallen mehrere Sachbeschädigungen, Angriffe auf Personen und teilweise auch Brandstiftungen im Laufe des letzten Jahres. Es ist davon auszugehen, dass ihr Aktivismus nur schwer mit der Agenda des Lichtenberger NPD-Verbands in Einklang zu bringen sein wird.

Es bleibt festzuhalten:
Der Lichtenberger NPD ist ein seit über zehn Jahren kontinuierlich arbeitender Verband, dessen Mitglieder als klassische Neonazis einzustufen sind, sowohl die älteren als auch die jüngeren. Gerade bei den jüngeren ist ein hohes Agressionspotential festzustellen, dass sich schon in der Vergangenheit in Gewalttaten umsetzte. Deshalb ist es wichtig, die Struktur im Auge zu behalten und ihnen ihre Treffpunkte und ihre Logistik streitig zu machen.

Erstveröffentlichung auf Inymedia am 20. Februar 2017

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