Hetze gegen Flüchtlingsheim in Pätz

1. November 2013 | News Redaktion

170 Rassist*Innen zogen am vergangenen Freitag durch Bestensee und dessen Ortsteil Pätz, um gegen die Eröffnung einer Flüchtlingsunterkunft zu demonstrieren. Ähnlich wie letzten Donnerstag, wo NPD und JN-Strukturen sowie die Kameradschaft "Freie Kräfte Königs Wusterhausen" einen vermeintlichen Anwohner*Innenprotest parallel zu einer Bürger*Innenversammlung inszenierten, waren auch diesmal bekannte Gesichter organisierter Neonazistrukturen bei der Organisation und Ausrichtung der Veranstaltung federführend. Dennoch beteiligten sich zahlreiche Anwohner*Innen an dem Aufmarsch.

Fackeln wurden untersagt

Zwar wurde den Rassist*Innen das Tragen von Fackeln untersagt, besorgniserregend war es trotzdem, als die Menschenmenge in der Brandenburger Dunkelheit vom Bahnhof durch das Plattenbaugebiet zum Pätzer Industriegebiet unter ""Wir sind das Volk!" und "Wir wollen keine Asylantenheime!" Parolen zog.

"Bürger*innendemo" von Neonazis organsiert

Maßgeblich beteilgt an dem Aufmarsch waren bekannte Neonazis aus dem NPD und "Freie Kräfte" Spektrum. So wurde zwischenzeitlich der NPD'ler Frank Knuffke als Anmelder der Demonstration gehandelt und fuhr den Lautsprecherwagen. Beim Aufmarsch selbst zeigte sich jedoch ein Sven M., der laut PNN dem Kameradschaftsspektrum zugeordnet wird, für die Versammlungsleitung zuständig. Als Hauptredner trat der Berliner NPD-Chef Sebastian Schmidtke auf. Ein Redebeitrag der Berliner NPD'lerin Maria Fank wurde als Anwohner*Innenredebeitrag getarnt. Desweiteren kam auch die Storkowerin Manuela Kokott, verantwortlich für die Landesfinanzen der Brandenburger NPD, zu Wort. Berliner und Brandenburger NPD'ler übernahmen derweil Ordner*Innenfunktionen.

Insgesamt beteiligten sich eine Vielzahl an auswärtigen Neonazis aus den NPD-Kreisverbänden Oderland, Dahmeland und dem Landesverband Berlin. Anhänger*Innen der "Freien Kräfte Königs Wusterhausen", dem "Nationalen Widerstand Berlin" und den verbotenen "Freien Kräfte Teltow Fläming", jetzt in JN-Strukturen aktiv, waren ebenso zahlreich vertreten. Allein aus Richtung Berlin bzw. Königs Wusterhausen reisten knapp 50 Neonazis mit dem Zug an. Trotzdem beteiligten sich zahlreiche örtliche Rassist*Innen an dem Aufzug. Die Zahl derer, die aus Angst mit der NPD in Verbindung gebracht zu werden zu Hause geblieben sind, ist wahrscheinlich noch höher.

Mobilmachung im Internet

Seit ungefähr zwei Wochen formiert sich Widerstand gegen eine geplante Flüchtlingsunterkunft in Bestensee. Maßgeblich daran beteiligt sind organisierte Neonazis und eine Facebook-Initative unter dem Namen "Nein zum Heim in Pätz". Derzeit hat die Facebook-Seite 1800 Fans. Wer genau hinter der Facebook-Seite steht, auf der bis vor kurzem noch Kommentare geliked und geduldet wurden, die zu Brandanschlägen auf die Unterkunft aufriefen, ist nicht sicher. Da aber davon auszugehen ist, dass es sich um denselben Personenkreis handelt, der auch für die Organisation der Demonstration verantwortlich ist, stehen offensichtlich auch dahinter organisierte Neonazis. Aufhetzende Phrasen wie: "Asylflut", "Asylmissbrauch", Asylantenlobby" oder "Lügenpresse", die in Kommentaren und Titeln auf der Seite zu finden sind, gehören zum gängigen Repertoire von NPD und Co.

Doch sowohl auf der Veranstaltung am Freitag, als auch auf der Seite der vermeintlichen Bürger*Inneninitative versuchen sich die Verantwortlichen von "Parteien" zu distanzieren. Auch das NPD-Symbol auf einem oft verwendeten Transparent wurde überdeckt. Scheinbar ist die Angst groß, einen Teil der Anschlussfähigkeit an rassistische Vorurteile in der örtlichen Bevölkerung zu verlieren.

Einzug steht fest

Mittlerweile steht der Einzug von bis zu 156 Geflüchteten in das Gebäude, dass sich auf dem Gelände des Technischen Bildungszentrums befindet, fest. Auf der Kreistagssitzung vergangenen Mittwoch in Lübben, von NPD-Protest samt Laster begleitet, wurde die Entscheidung gefällt. Dabei spielten die Interessen von Geflüchteten keine Rolle. Flüchtlingsorganisationen wurden in die Entscheidung, Asylbewerber*Innen in einem abgelegenen Industriegebiet unterzubringen, nicht mit einbezogen.

Fragwürdiger Protest

Die örtliche Zivilgesellschaft um die Initative "Pro Asyl Pätz" veranstaltete zwar eine Gegenkundgebung mit 40 Menschen in Sichtweite des Startpunktes des rassistischen Aufmarsches. Fragwürdig bleibt jedoch das symbolische und tatsächliche Wegschauen. Anwohner*Innen wurde geraten, das Licht in ihren Wohnungen auszuschalten. Auch die Straßenbeleuchtung wurde während des Aufmarsches ausgeschalten.

Zwar ärgerte dies einige Teilnehmer*Innen, wird sie jedoch nicht davon abhalten, die Stimmung weiter anzuheitzen und ein Bedrohungsszenario zu schaffen, wenn die ersten Flüchtlinge im Februar oder März nächsten Jahres nach Pätz kommen. Auch wenn die Stimmungsmache gegen die Unterkunft und gegen Asylsuchende durch organisierte Neonazis koordiniert und weiter angeheizt wird, wird sie von den zahlreichen rassistischen Anwohner*Innen getragen. Bei Gewaltphantasien bis hin zu Brandanschlagsaufrufen scheint ein symbolisches "Wegschauen" mehr als verharmlosend, Auseinandersetzung mit rassistischer Hetze aus der Mitte der Gesellschaft sieht anders aus.

Erstveröffentlichung auf Inforiot am 28. Oktober 2013

Kategorie: