Zu den Aufmärschen von Rassist*innen in Marzahn/Buch/Köpenick - ein weitere Diskussionsbeitrag

28. November 2014 | News Redaktion

Es ist schön zu sehen, dass sich an vielen Orten eine Diskussion entwickelt, wie die rassistischen Aufmärsche in Marzahn, Buch und Köpenick zu bewerten und - was noch viel wichtiger ist - zu stoppen sind. Not tut dies sicherlich. Die aktuelle Lage ist erschreckend und besorgniserregend.
Dieser Artikel ist eine Antwort und Ergänzung des Artikels "Strategiediskussion/ -Vorschläge: antifaschistischer Protest in Marzahn/Buch/Köpenick", der am Mittwoch auf Indymedia erschienen ist. Wiederholungen tun einer Debatte nicht gut. Daher beschränken wir uns auf die Punkte, die uns fehlen und wo wir Einspruch haben.

"Wer mit der NPD marschiert, ist ein Nazi!"

Die Bezugsgruppe erhofft sich in ihrem Artikel von Mittwoch einen "Keil zwischen Anwohner_innen und Nazis treiben" zu können. Grundlage der Einschätzung ist das Bild der "besorgen Anwohner*innen". Wir teilen die Einschätzung, dass nicht alle "die das Heim nicht haben wollen, es als Bedrohung empfinden oder Angst vor dem Fremden haben, Nazis und Rassist_innen sind". Wir glauben jedoch, dass diese Anwohner*innen auch nicht auf die Aufmärsche in Marzahn, Köpenick und Buch gehen.

Uns kann niemand mehr erklären, er oder sie wüsste nicht, wer die Aufmärsche organisiert und wie die Leute ticken, die daran teilnehmen. In sämtlichen Berliner und teilweise in überregionalen Nachrichten wurde klar aufgezeigt, dass organisierte Neonazis die Struktur der Aufmärsche stellen. Von Tagesthemen bis B.Z. war für jede*n was dabei. Die Gegenproteste haben die Teilnehmer*innen direkt bei den Aufmärschen mit ihrem Rassismus und den organisierten Nazis konfrontiert. Und spätestens die rassistischen Parolen auf den Aufmärschen und die Angriffe auf Fotograf*innen und Linke sollten auch dem letzten klarmachen, mit wem er da gemeinsam auf der Straße steht. Wer das bisher nicht gecheckt hat, will es schlicht nicht wahrhaben.

Trotzdem wäre es falsch in allen Teilnehmer*innen organisierte Nazis zu sehen. So groß ist die organiserte Nazi-Szene in Berlin zum Glück nicht. Zu dem Kern der Aufmärsche von vielleicht 100-200 organisierten Nazis gesellen sich etliche extrem Rechte unterschiedlichsten Spektrum. Das Potential der extrem Rechten in den betroffenen Regionen ist groß genug. Extrem rechte Parteien (NPD, pro Deutschland, AfD) kommen in den Ortsteilen regelmäßig auf rund 10% der Stimmen. Dass die Leute in den letzten Jahren nicht an Naziaufmärschen teilgenommen haben, liegt wohl weniger an ihren demokratischen Überzeugungen. Viel mehr war die Teilnahme wohl bisher dank den Gegenprotesten nicht attraktiv. Es gehört eben mehr als eine extrem Rechte Gesinnung dazu sich stundenlang in einer gekesselten Kundgebung die Beine in den Bauch zu stehen. Die Mobilisierungserfolge der letzten Wochen, das Hoffnung die Unterkünfte tatsächlich verhindern zu können und gegen "die Antifa" auf der Straße die Oberhand zu haben, machen eine Teilnahme eben auch für extrem Rechte deutlich attraktiver. An dieser Stelle müssen wir ansetzen.

Was tun?

Wir müssen die Teilnahme an den Aufmärsche wieder unattraktiver machen. Nur so werden wir es schaffen, den Kern organisierter Neonazis von den anderen extrem Rechten abzuspalten. Dies kann in unseren Augen nur gelingen, wenn wir die Kosten hochschrauben. Wir denken, dass dies langfristig nur durch Blockaden der Aufmärsche gelingen kann - so schwer dies auch an einem Montag in Marzahn ist. Ein einmaliger Erfolg wie am Samstag reicht leider nicht aus. Der Samstag hat jedoch zeigt, dass allein die Ankündigung großer Gegenproteste viele Rassist*innen von der Teilnahme am Aufmarsch abschreckt. Sowohl am Montag zuvor als auch danach waren deutlich mehr Rassist*innen auf der Straße als auf der überregionalen Demonstration am Samstag.

Wenn es uns nicht gelingt, die Aufmärsche zu stoppen, sieht es düster aus. Wir sollten unsere Hoffnungen nicht darauf setzen, dass sich die Aufmärsche sich von alleine tot laufen. Die Euphorie durch den großen Zuspruch und den meist ungestörte Ablauf gepaart mit dem tief sitzenden Rassismus der Akteure dürfte die Teilnahme auch über den kalten Winter für viele attraktiv bleiben lassen. Bereits jetzt gibt es verstärkt Angriffe gegen die Baustellen und andere Flüchtlingsheime. Bereits jetzt verrammeln Bewohner*innen der Flüchtlingsheime Türen und Fenster, wenn die Aufmärsche in ihrer Region sind. Aus vielen Lagern in Berlin und Brandenburg erreichen uns Berichte, dass Familien gemeinsam in einem Zimmer schlafen, um sich gegenseitig zu schützen. Wie sich die Situation entwickelt, wenn die rassistischen Mobilisierungen bis zur Eröffnung der neuen Heime nicht gestoppt sind, erfüllt uns mit großen Sorgen. Wir denken, dass die Notwendigkeit Pogrome zu verhindern, bevor sie geschehen, heute in Berlin akuter denn je ist.

Mehr als nur gegen Nazis

Wir finden den Hinweis der Bezugsgruppe im Text vom Mittwoch, die eigenen Inhalte dabei nicht zu vergessen, wichtig. Noch vor wenigen Monaten stand der Kampf gegen die menschenunwürdige Unterbringung in Lagern im Mittelpunkt der antirassistischen Kämpfe. Nun werden in Berlin Container-Dörfer und Freilufthallen gebaut und es sieht es so aus als würden ausgerechnet wir dafür kämpfen.

Der Kampf gegen die Aufmärsche ist bisher rein defensiv. Die fehlende emanzipatorische Perspektive trägt sicherlich nicht dazu bei, mehr Menschen für eine Teilnahme zu begeistern. Den Kampf gegen den rassistischen Mob mit den Kämpfen gegen den staatlichen Rassismus, der sich im Lagersystem ausdrückt zu verbinden, zu verbinden, kann uns helfen eigene Akzente zu setzen. Gegen Container-Dörfer am Stadtrand sollten wir die Forderung nach einer dezentralen Unterbringung in (städtischen) Wohnungen setzen.

Konkrete Schritte

Gespannt und angespannt blicken wir auf die heutigen Proteste in Köpenick. Grundsätzlich denken wir jedoch, dass es wohl eine kurze Pause zum Verschnaufen und Sammeln braucht. So widerlich es ist, die Nazis eine weitere Woche laufen zu lassen, so wenig realistisch halten wir eine große Mobilisierung diesen Montag (1. Dezember) nach Marzahn. Ereignisse wie die letzte Woche geben uns nicht die nötige Kraft, den Nazis effektiv etwas entgegen zu setzen. Wir sollten die kommende Woche stattdessen dafür nutzen uns auf den 8. und 15. Dezember vorzubereiten, um an diesen Tagen auch an einem Montag in Marzahn endlich wieder in die Offensive zu kommen.

Einige autonome Antifas

Achtet auf aktuelle Ankündigungen auf

Erstveröffentlichung auf Indymedia am 28. November 2014

Kategorie: