Berlin: "Merkel muss weg"-Demonstration und Gegenprotest

1. August 2016 | News Redaktion

Heute fand in Berlin die dritte rechte Demonstration unter dem Titel "Merkel muss weg" statt. Die Demo startete wie immer am Washingtonplatz und wurde wie bereits die beiden vorherigen Male vom pro Deutschland-Aktivisten Enrico S. angemeldet. Trotz langfristiger Mobilisierung fandem sich mit 1000 TeilnehmerInnen sicherlich weniger Personen ein, als der Veranstalter erhofft hatte. Nach diversen Redebeiträgen startete die Demo südlich des Hauptbahnhofes und zog über die Wilhelmstraße und am Reichstag vorbei zurück zum Ausgangspunkt. 

Der Gegenprotest direkt an der Strecke blieb vergleichsweise überschaubar. Dazu muss man wissen, dass die Polizei die Demo noch strikter und weiträumiger von Gegendemonstranten abgeschottet hatte als bei den beiden vorherigen Malen. Zu Zwischenfällen ist es, so weit bekannt, nicht gekommen - gleichwohl wurde ein Teilnehmer der rechten Demo aufgrund eines zu beanstandeten T-Shirts verhaftet.

Mit ebenfalls ca. 1000 TeilnehmerInnnen startete kurz nach 14 Uhr eine Gegendemonstration am Strausberger Platz, zu der antifaschistische Gruppen sowie zivilgesellschaftliche Organisationen aufgerufen hatten. Die Demo startete als Spitze der gleichzeitig stattfindenden Veranstaltung "Zug der Liebe", spaltete sich dann auf Höhe Holzmarktstraße ab und endete mit relativ großem Abstand vor der Wilhelmstraße. 

Übrigens gab es noch einen kreativen Protest mit mehreren Booten, Flößen und Schiffen auf der Spree - allerdings wurde dieser von der Polizei an der Weiterfahrt Richtung Hauptbahnhof gehindert.

Quelle: Indymedia-Bericht vom 30.07.2016

Ein weiterer Demobericht in Stichpunkten

  • Der Termin der rassistischen Demo ist seit April bekannt.
  • Der Gegenprotest wurde von Berlin Nazifrei und dem Berliner Bündnis gegen Rechts in Zusammenarbeit mit dem Zug der Liebe organisiert.
  • Eine nennenswerte Mobilisierung gab es nicht zu sehen, online zog sie erst in dieser Woche an.
  • Es wurde erst eine Woche vorher bekannt, dass es einen aktionsorientierten Frontblock geben wird, der sich vom Zug der Liebe trennt und Richtung der Nazi-/Hool-/Rassist*innendemo läuft.
  • Es wurde zu 13:30 auf den Alexanderplatz mobilisiert.
  • Frontblock stand am Strausberger Platz, zwei U-Bahn-Stationen entfernt.
  • Erstes offizielles Update dazu gegen 13:30.
  • Viele Personen standen am Alex und wussten nicht wohin, etliche sind nach Hause gegangen.
  • Kurz nach 14 Uhr setzt sich der Frontblock in Bewegung, es nehmen etwa 1000 Personen daran teil.
  • Die Demonstration kommt gegen 16 Uhr am Endpunkt in der Dorotheenstraße an, mitten in einer Baustelle.
  • Versuche, auf die Strecke der „Merkel muss weg“-Demo zu kommen, scheitern. Die Polizei steht gut und auch im Tiergarten zwischen den Bäumen.
  • Ein Einsatz von Pfefferspray und Schlagstock ist nicht bekannt, die Polizei hatte bis auf eine niedrigen einstellige Zahl an (teilweise vorläufigen) Festnahmen nichts zu tun.
  • „Merkel muss weg“-Demo zählt über 1000 Teilnehmer*innen und startet gegen 16:40 am Hauptbahnhof.
  • Frontblock bestand waren die Nationalen Autonomen, Schlussblock der III. Weg. Dazu dann Identitäre, Gida-Teilnehmer*innen und was da sonst noch kreucht und fleucht.
  • Rassist*innen-Demo endet um etwa 19:30 im Hauptbahnhof.
  • Es wurden mehrere Hitlergrüße beobachtet und dokumentiert.
  • Eine Aktivistin wurde als „schwarze Schlampe“ bezeichnet. Polizist will nichts gehört haben und auch die Anzeige nicht aufnehmen.
  • Eine Person trug ein Shirt mit einem verbotenen Symbol.
  • Es gab keine nennenswerten Aktionen gegen die Rechten.

Fazit: Nicht gut.

Quelle: Indymedia-Bericht vom 31.07.2016

Ein paar Eindrücke vom Tag

Absperrungen

Wie mittlerweile üblich war die Route der Nazis komplett eingegittert. Nach unseren Beobachtungen wurde um kurz nach 14 Uhr damit begonnen, die Gitter auf der Südseite (zwischen Brandenburger Tor und russischem Mahnmal) und auf der Westseite (zwischen Mahnmal und Kanzler*innen-Amt) zu schließen und keine Leute mehr reinzulassen. Auf der Nordseite war der Eingang noch länger offen, mindestens bis 15 Uhr, was auch damit zusammenhängen könnte, dass in der Schweizer Botschaft eine größere Festivität stattfand. Wann die Eingänge auf der Ostseite zugemacht wurden, können wir nicht sagen.

Wie immer waren auch gestern die Absperrungen nicht perfekt. Mit ein bisschen suchen bzw. entsprechendem Outfit gelang es immer wieder einzelnen Menschen und kleineren Grüppchen in den abgesperrten Bereich zu kommen. Das war aber nicht genug um da eine auch nur annähernd kritische Masse zu bilden.

Wir hatten den Eindruck, dass jeweils an den Absperrungen nicht so viele Bullen waren, aber innerhalb des abgesperrten Bereichs größere Bullenmengen sich aufhielten, um flexibel zu einzelnen Absperrungen geschickt zu werden.

Als die Nazis dann vorbeikamen, war es zumindest an der Absperrung zwischen Brandenburger Tor und Reichstag so, dass der deutlich kleinere Teil der Bullen hinter den Gittern stand, und auf beiden Seiten der Straße vor der Absperrung, also direkt neben den Antifaschist*innen, sich größere Eingreif- und Greiftrupps aufgestellt hatten.

Hauptbahnhof

Hier hatte die Polizei einen größeren Käfig für die Nazis aufgebaut. Um halb drei waren bereits einige hundert Nazis in diesem Käfig, die Auftaktkundgebung der Nazis begann zwischen 14:30 und 15:00.

Im gesamten Hauptbahnhof waren Nazis unterwegs, teilweise auch auf dem Gelände rund um den Hauptbahnhof, in Gruppen von zwei bis 15 Leuten. Auffallend war die kaum vorhandene Präsenz der Bullen im Bahnhof und um den Bahnhof, mit Ausnahme des Nazi-Käfigs. Direkt am Haupteingang des Bahnhofs nach Norden standen überhaupt keine Bullen, im Bahnhof selbst ein paar kleine Grüppchen. Die Nazis konnten völlig ungestört, teilweise auch grölend den Bahnhof dominieren.

Viele der Nazis hatten wohl auch keinen Bock auf den Bullenkäfig, und sie lungerten statt dessen in der Umgebung herum, ungestört von den Bullen. Auffallend war die Präsenz von vielen jungen, angesoffenen Typen mit ziemlich klassischem Nazi-Outfit, darunter auch viele Glatzen, die allermeisten mit "Freiwild"-T-Shirts (wuhlheide.de/de/shows/2016-07-30-18-00).

(Selbst in einem Artikel in der bürgerlichen Presse, ich finde ihn gerade nicht, wurden die Bullen mit der Aussage zitiert, dass sich das Spektrum der jetzt zum dritten Mal dieses Jahr durchgeführten rechten Demo verschoben hat, dass die Demo mittlerweile fast nur noch aus Neonazis besteht, und dass die rechten Wutbürger, die noch im März und im Mai deutlich präsend waren, gestern fast komplett fehlten.)

Ab ca. 15 Uhr gab es ein kleineres Grüppchen, das mit Rufen und Pappschildern, später auch zwei kleineren Transpis am Rande des Käfigs gegen die Nazis protestierte. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten die Nazis den Bahnhof und die Umgebung völlig ungestört für sich. Das Grüppchen wuchs dann bis 16 Uhr auf ca. 30 Leute an. Gegen halb vier dachte ein Nazi, er könne sich mitten zwischen die Antifaschist*innen stellen, wurde jedoch schnell davon überzeugt, dass das keine so gute Idee ist und dann von hinzukommenden Bullen in den Nazikäfig gebracht. Bis zu diesem Zeitpunkt waren keinerlei Bullen bei den Antifaschist*innen, ab da wurden vier Bullen hier deponiert.

Die Nazis reagierten entsprechend angepisst auf die Kritik und waren sauer, wurden aber von Ordner*innen und Bullen im Käfig gehalten.

Auffallend war eine große Anzahl unterschiedlicher Fahnen bei den Nazis. Vielleicht könnte jemensch, der oder die sich hier auskennt, da mal einen Überblick geben?

Zusammenfassung

Auffallend ist, dass den Bullen, unter Henkel, offenbar das wichtigste ist, dass die Nazis ungestört laufen können. Der Großteil der Bullen wurde bereits Stunden vor dem Beginn der Nazi-Demo dazu genutzt, die Route so gut wie möglich abzusperren. Dass die Nazis dann ungestört den Hauptbahnhof und Umgebung dominieren können, wird von den Bullen offenbar akzeptiert. Dass es im Hauptbahnhof dieses Jahr bereits zu körperlichen Angriffen der Neo-Nazis im Zusammenhang mit diesen rechten Aufmärschen kam, hindert die Bullen nicht daran, die Nazis im und um den Hauptbahnhof über Stunden ungehindert agieren zu lassen.

Bis 15 Uhr war am Hauptbahnhof, der natürlich wie sonst auch von tausenden Menschen belebt war, keinerlei Protest gegen die Nazis feststellbar. Auch danach blieb der Protest extrem marginal.

Der nächste Nazi-Aufmarsch dieser Art (nach März, Mai und gestern) ist wohl für November angekündigt (9.11.16? Steht das fest - vielleicht kann jemensch dazu noch was schreiben?)

Quelle: Kommentar bei Indymedia

AfD-Kandidat auf Naziaufmarsch

Wieder war der Lichtenberger AfD-Kandidat Heribert Eisenhardt auf der "Merkel muss weg"-Demo in Berlin. Trotz langem Beitrag über ihn im RBB (https://www.rbb-online.de/politik/wahl/berlin/agh/afd-rechtsextremistisc...) und angeblichem Parteiausschlussverfahrens lässt er sich nicht beirren.

Quelle: Kommentar bei Indymedia

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