Die tödlichste Grenze der Welt

21. April 2015 | News Redaktion

Wir haben heute Nacht im Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg eine Gedenkstätte für die allein 2015 mehr als tausend im Mittelmeer ertrunkenen Menschen errichtet. Das Mittelmeer ist inzwischen zur tödlichsten Grenze der Welt geworden. Ignoriert von ganz Europa entsteht dort ein Massengrab für jene, die es wagen vor Armut, Krieg und Unterdrückung zu fliehen. Seit dem Jahr 2000 starben vor den europäischen Grenzen nach offiziellen Zahlen 23.000 Menschen. Die Dunkelziffer dürfte weitaus höher liegen.

In Deutschland hat das Wegschauen Tradition. All die Mittelmeerkatastrophen der letzten Jahre werden gar nicht mehr als tatsächlich „katastrophal“ wahrgenommen und sind kaum eine Nachricht wert, während ein tragischer Flugzeugabsturz zum Staatstrauerakt wird. Das Sterben im Mittelmeer auf der anderen Seite wäre vermeidbar. Aber die Seenotrettung vor der libyischen Küste hätte, laut Politikern in Deutschland, eine steigende Zahl an Menschen, die den Weg über das Mittelmeer nach Europa wagen, zur Folge. Grenzschutz und Wohlstandssicherung haben in Europa anscheinend einen höheren Stellenwert als Menschenleben. Diejenigen, die diese Politik zu verantworten haben, töten in direkter Konsequenz Menschen.

Armut und Krieg auf anderen Kontinenten können nicht von jeglichem Kontext losgelöst betrachtet werden. Der Wohlstand auf dem sich in Europa ausgeruht wird, basiert in großen Teilen auf der ehemaligen Kolonisierung der sogenannten dritten Welt und den weiter bestehenden Ausbeutungsverhältnissen. Daran ändert auch angebliche Entwicklungszusammenarbeit nichts. Die vielen Leichen, die tagtäglich an den Urlaubsstränden von Malta, Lampedusa etc. angespült werden, zeigen auf, dass die politisch akzeptierte und gewollte Abschottungspolitik ein massenhaftes und systematisches Sterben zur Folge hat.

Die großen Reden des Bedauerns, gehalten von Gauck, de Maizière oder Steinmeier, sind in diesem Kontext zynisch. In der Debatte unmittelbar danach reden diesselben Heuchler mit dem Argument, man könne eben nicht alle hier wohnen lassen, dem nationalistischen Mob von Pegida, NPD bis zur CSU das Wort.

Wir wollen der Toten gedenken und gleichzeitig auf die historische Dimension dieses Massenmords an den Grenzen Europas aufmerksam machen.

Die europäische Lüge, mensch könne die Boote im Mittelmeer nicht retten, ist längst entlarvt.
Alles was fehlt, ist der Wille diesen Menschen zu helfen, nicht nur auf struktureller Ebene, sondern auch auf so praktischer Ebene wie der Seenotrettung.
Solange es Ausbeutung und Unterdrückung gibt, wird es die Flucht geben. Wir fordern eine radikale Debatte über europäische Flüchtlingspolitik, die die Dimensionen von Europäischer Ausbeutung weltweit mit einbezieht und die Verantwortung für die Massengräber im Mittelmeer übernimmt.

Kommt zur Gedenkstätte, legt Blumen und Kerzen nieder.

Trauer zu Wut. Wut zu Widerstand.

No one is illegal!

Erstveröffentlichung auf Indymedia am 21. April 2015